Für die einen klingt es paradox, dass Gefühle zueinander passen müssen – für die anderen gilt es als „selbstverständlich“. Es gibt sogar Menschen aus der professionellen Ecke, die behaupten, es ganz genau zu wissen. Und sie verwenden neben einer wissenschaftlichen Bezeichnung (Homogamie) gerne einen Spruch aus der Küchenpsychologie:
„Gleich und gleich gesellt sich gerne.“
Diesen Spruch gibt es auch in englischer Sprache:
„Birds of a feather flock together“.
In Wahrheit hat der Satz mit Psychologie gar nichts zu tun, sondern ist ein Zitat aus dem 16. Jahrhundert, das William Turner in einer Satire benutzte:
Byrdes of on kynde and color flok and flye allwayes together.
Behauptet wird seitens mancher Psychologen, dass Paare „irgendwie“ gleich sein, gleich denken oder gleich fühlen müssten, wenn sie eine Ehe schließen wollten.
Die wahre Geschichte der Gleichheit bei Paaren
Wie es dazu kam, hat mit Psychologie allerdings überhaupt nichts zu tun. Die Gesellschaftsordnung jener Zeit beruhte darauf, in welcher „Klasse“ oder „Schicht“ man aufgewachsen war. Das hieß, der Mann, der eine gewisse Freiheit hatte, suchte sich seine Partnerin in der gleichen Gesellschaftsschicht. Die Tochter konnte sich nicht frei entscheiden, sondern wurde vom Vater oder Vormund verheiratet.
Das änderte sich erst, als einige angesehene Persönlichkeiten im späten 18. Jahrhundert dazu aufriefen, aus Liebe zu heiraten. Verwirklicht wurde dies jedoch erst im späten 19. Jahrhundert, obgleich die Liebesheirat durch gewisse „Standesdünkel“ immer noch behindert wurde.
Dies war insbesondere in betont bürgerlichen Städten oder Stadtteilen der Fall. Es hieß, dass Akademiker grundsätzlich nur Akademikertöchter heiraten sollten, Beamte nur Beamtentöchter und Kaufleute nur die Töchter anderer Kaufleute. Die „guten Familien“ wollten damit „unter sich“ bleiben.
Das „Gleichheitsprinzip“ überlebte aber noch aus einem anderen Grund - aus der
Praxis heraus, einen Partner zu wählen, der uns „nahe“ war. Die Nachbarschaft, die Schule, die man einst besuchte, der Freundes- oder Interessenkreis, dem man angehörte, war deshalb wichtig für die Partersuche, weil man sich mit den Menschen „aus der Nähe“ häufiger beschäftigte als mit Fremden. Da Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg in stärkerem Maße und auch länger berufstätig waren, lernte man sich später auch in Büros, in Verwaltungen oder Fabriken kennen.
Das 21. Jahrhundert – neue und verworfene Tendenzen der Psychologie
- Unter Psychologen galt auch im 21. Jahrhundert noch der „Gleichheitsgrundsatz“, für den es aber kaum gültige Kriterien gab.
- Im Rahmen der „Einstufungen von
Persönlichkeitsmerkmalen“ wurde versucht, psychologische Gemeinsamkeiten bei potenziellen Paaren festzustellen.
- Das funktionierte denkbar schlecht, also ging man dazu über, nur noch
grundsätzliche Lebenseinstellungen zu bewerten.
- Dann wurden die Bewertungskriterien infrage gestellt, die auf Persönlichkeitsmerkmalen beruhten. Nun versuchte man, „beziehungsrelevante Aspekte der Persönlichkeit“ heranzuziehen.
- Auch diese Idee wurde letztlich verworfen, weil man auch für „Beziehungsrelevanz“ keine eindeutigen Maßstäbe fand.
- Gegen 2011 wurde erstmals die These vertreten, dass es nicht Persönlichkeitsmerkmale, sondern Fähigkeiten (Kompetenzen) sind, die für das Gelingen von Beziehungen nötig sind. (Durch
Guy Bodenmann, Zürich).
In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass „Gefühle“ oder „Emotionen“ nicht identisch mit Persönlichkeitsmerkmalen sind. Ich unterstelle jedoch, dass sich aus der Persönlichkeit auch Gefühlsregungen ableiten oder beobachten lassen. Deshalb bleibe ich bei der bekannten Annahme, dass auch Emotionen Teile der Persönlichkeit sind.
Ein Psychologenstreit wird bei der Partnersuche zum Zankapfel
Der Streit unter Psychologen, ob Paare von vornherein „gleich“ sein müssten, schwelte schon vor der Internet-Zeit. Ein Teil der Forscher behauptete, Paare würden sich erst in der Beziehung angleichen. Ein anderer Teil war sich sicher, dass beide Partner von vornherein ähnliche psychische Eigenschaften haben sollten. Allerdings war diese Frage mehr oder weniger bedeutungslos, solange der „kulturelle Hintergrund“ gleich war und die Partner sich „im Nahbereich“ kennengelernt hatten.
Das Thema gewann aber wieder an Bedeutung, als Menschen per Annonce oder durch das Internet („Online-Dating“) über größere Distanzen suchten. Soweit die Bundesrepublik Deutschland betroffen war, stellte man plötzlich kulturelle Unterschiede zwischen den Bundesländern fest. Teilweise fanden die Menschen auch mentale Unterschiede vor, die sie zuvor als „Folklore“ eingestuft hatten.
Wie der Gleichheitsgrundsatz wiederbelebt wurde
Plötzlich hatten die psychologischen Sichtweisen wieder Konjunktur, denn nun benötigten insbesondere die Online-Unternehmen Kriterien, um Personen zusammenzubringen. Die Basis dafür beruhte auf der Theorie der „Gleichheit“, die ihrerseits wieder darauf fußt, dass sich die Persönlichkeitsmerkmale der Erwachsenen nicht mehr verändern. Zugleich wurde mit aller Kraft versucht, den Gleichheitsgrundsatz zu verteidigen, weil er zur Basis für das sogenannte
Matching erklärt wurde.
Dichtung und Wahrheit über Persönlichkeitsmerkmale
Wie ist das wirklich? Die Gleichheitstheorie wurde nie wissenschaftlich exakt bewiesen. Bewiesen. Aber das eist nicht alles: Namhafte Psychologen haben inzwischen festgestellt, dass die sogenannten „Persönlichkeitsmerkmale“ nicht in Stein geritzt sind, sondern sich wandeln. Nicht nur über längere Zeiträume, sondern auch situativ und partnerabhängig. Tatsächlich verfügen wir alle über unterschiedliche „Persönlichkeiten“, nämlich sogenannten
„Interaktionspersönlichkeiten“.
Dazu ein Zitat im Wissenschaftsjargon:
Die verschiedenen Persönlichkeiten stehen in Korrelation mit korrespondierenden Anpassungsvorgängen beim Partner“. (…) Die Interaktionspersönlichkeit resultiert aus einer partner- und situationsgebundenen Umstrukturierung. In der bisher Latentes manifest (wird) und zuvor Manifestes in den Hintergrund tritt.“
In Alltagssprache übersetzt heißt dies:
In der Beziehung passen wir uns gegenseitig an und dadurch verändern sich auch die Eigenschaften der Personen oder jedenfalls die Art, wie wir sie sehen. Je nachdem, wie Situation ist und mit wem wir zusammen sind, bauen wir unsere Persönlichkeit so um, dass verborgene Eigenschaften hervortreten und (angeblich) fest verankerte Eigenschaften in den Hintergrund treten.
Das alles stark vereinfacht:
Wir ändern uns in der Partnerschaft und damit ändern sich auch unsere Eigenschaften. Manche werden stärker und andere werden schwächer.
Nun interessiert euch, liebe Leserinnen). Natürlich, was sich dadurch für euch unmittelbar ergibt. Vielleicht möchtet ihr auch wissen, was ich dazu tun könnt, um leichter einen Partner zu finden, der „passt“.
Das sehpferd-team hat darüber nachgedacht und einige Informationen zusammengestellt, die tatsächlich
hilfreich für dich sein können.
Zitat aus: Jürg Willi "Die Zweierbeziehung", 6. Auflage von 2022
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