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 Echte Gefühle und wie sie beschrieben werden können.

Gefühle und Mystik

Der Name Mystik an sich führt nicht weiter als auf eine Geheimlehre, in welche nur Auserwählte eingeweiht werden.
(Meyers Lexikon, um 1890)


Während sich die Religion nur selten mit unseren Gefühlen beschäftigt, versucht die Mystik, Gefühle ganz bewusst in den Vordergrund zu stellen.

Hat die Mystik eine Geschichte?

Die Mystik ist eng verbunden mit religiösen oder weltanschaulichen Geheimlehren. Ihre Grundzüge liegen vermutlich in den ersten Beurteilungen von Naturphänomenen oder Fragen der Heilung oder Genesung. Die Vorgänger der Wetterkunde und der Medizin gehörten wahrscheinlich zu den ersten Gruppen, die Geheimlehren entwickelten. Man kann sagen, dass Naturbeobachtungen zu den ersten „wissenschaftlichen“ Arbeiten der Urmenschen gehörten. In vielen Kulturen bildeten sich daraus die ersten Gruppen von Mystikern, die für Heilung und Verdammung, für Voraussagen des Jagdglücks oder für den Weg zuständig waren, die eine Horde von Urmenschen gehen würde.

Entscheidend war in jedem Fall, dass dieses Wissen und Können von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Sobald man sich darüber klar wurde, wurden geeignete Personen gesucht, die in die „Mysterien“ eingeweiht wurden. Daraus entstanden vermutlich allerlei Geheimbünde. Sie wären nicht geheim gewesen, wenn ihr Wissen an eine breite Öffentlichkeit gedrungen wäre. Aus diesem Grund entwickelte sich eine „Exklusivität“. Das bedeutet: Das erworbene Wissen der „Adepten“ (Jünger, Anhänger/Anhängerinnen) darf nicht zum Allgemeinwissen werden.

Diese Abschottung führte aber auch dazu, dass sich weitere weltanschauliche, religiöse oder sexuelle Zirkel mit Mystik umgaben. Die Geheimnisse, die sie „wahrten“ sind dabei auf „Überlieferungen“ zurückzuführen. Das gilt für den Hexenkult (Wikka-Bewegung) den Teufelskult oder Voodoo in Afrika, aber auch für christliche Heilsbewegungen - und sicher für viele „moderne“ Bewegungen.

Der Schutz der Mystik und ihrer Rituale halft gutwilligen wie böswilligen Gruppen. Bekannt sind vor allem die Propheten, die wir auch als „Spökenkieker“, Kartenschläger, Wahrsager, Pendler oder Astrologen kennen. Sie alle verfügen über keinerlei „Geheimwissen“. Sondern verwenden entweder reinen Hokuspokus oder nutzen ihre Fähigkeiten, die Mikro-Mimik ihre Klienten zu beobachten und zu interpretieren.

Mystik und Gefühle heute

In der Mystik und in der Religion spielen Kräfte eine Rolle, die von geheimen Mächten ausgehen

Allgemein bekannt dürfte sein, dass sich viele Menschen vom Glauben an Mystik und andere übersinnliche Phänomene beeinflussen lassen. Wesentlich unbekannter ist hingegen, wie die Mystiker versuchen, auf unsere Gefühlswelt einzuwirken. Das geschieht, indem sie alle natur- und geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse verwerfen und an ihre Stelle religionsähnliche Gebilde stellen, die als „höhere Wahrheiten“ angeboten werden.

Wie Geheimnisse, Mysterien und Gefühle in der Literatur vermischt werden

Außer in der Esoterik, zahlreichen Pseudowissenschaften, Ideologien und abenteuerlichen Theorien spielen „mystische“ Gefühle auch in der Literatur eine wesentliche Rolle. Zum Teil werden sie als Stilmittel benutzt, um Leserinnen und Leser zu verblüffen oder „erschauern“ zu lassen. Eines der populärsten Beispiele der deutschen Literatur ist der Briefroman „Der Sandmann“ von E.T. A. Hoffmann. In ihm werden Gefühle durch ein optisches Hilfsmittel und allerlei Zauberglaube so manipuliert, dass der Held eine mechanische Puppe für eine begehrenswerte junge Frau hält.

Auch gemischte Gefühle mystischer Herkunft werden oft von Autoren benutzt - zum Beispiel bei der Vampir-Literatur, in der Lust und Grauen zusammengeführt werden. Dabei werden unerklärliche Lüste verwendet, die zunächst von den Fabelwesen („Vampire/Vampirinnen“) ausgehen, dann aber auch von Menschen angenommen werden. Solche Werke gelten heute auch als Vorläufer der sadomasochistischen Literatur, weil wir der Wunsch nach Unterwerfung oder die Lust daran in der Vampirliteratur häufig vorfinden.

Verbotene Neigungen und Mysterien - literarisch

Eine andere Art von Gefühlsmix wurde früher oft benutzt, wenn von „verbotenen“ sexuellen Regungen die Rede war. Die erotisch gefärbten Horrorgeschichten über die ungarische Gräfin Elisabeth Báthory beruhen auf einer Mischung aus Vampirismus und homosexuellen (lesbischen) Neigung der Titelfigur.

Da jede Form von „sapphischer Liebe“ verpönt war, versuchten einige Autorinnen, solche Geschichten mit „übersinnlichen“ Mächten zu verklären.

In dem 1967 erschienenen Bestseller „Picknick am Valentinstag“ beispielsweise werden zahllose zärtliche Neigungen von Frau zu Frau angedeutet, die aber in der Zeit um 1900 nicht ausgelebt werden konnten. Erst nachdem einige Frauen der Realität entstiegen sind und sie sich einer mystischen Wandlung unterzogen hatten, konnten sie diese verwirklich – um den Preis, nie wieder in die Realität zurückzukehren. Ein sehr eindrucksvoll geschriebenes Buch „Fuchsia ou la Reine Démon“ spielt gar in der Jetztzeit, und die Mystik geht dabei von einer geheimnisvollen Dämonenkönigin aus.

Mystik in der Psychologie

Nicht zuletzt hat die Mystik auch durch die Populärpsychologie Auftrieb erhalten. Dies ist auf die Annahme zurückzuführen, dass sich zum „Bewusstsein“ das „Unterbewusstsein“ gesellt, das wesentlich größer ist als das Bewusstsein. Diese Annahme wird oft „Eisbergtheorie“ genannt. Seither glauben viele Menschen, dass in diesem Gebilde eine Fülle von Geheimnissen verborgen sind, die wir gar nicht oder nur schwer ergründen können. Um es kurz zu machen: diese Theorie ist im Grunde haltlos. Nicht wegen des Begriffs „Unterbewusstsein“, sondern wegen des immensen Anteils, den dieses zweite, verborgene Bewusstsein angeblich haben soll.

Text für Experten und kritische Leser/innen.
Dieser Beitrag vertieft eines der Themen der Artikelserie "Fühlen ist ein wundersames Gefühl". Er enthält neben Fakten auch Meinungen zum Thema.

Grafik: © 2024 by sehpferd_team

(1) Definition der Mystik: Meyers, Wikipedia.
(2) Abweichende Ansichten beispielsweise hier (Theologie, Uni Kiel).