Skip to content
 Echte Gefühle und wie sie beschrieben werden können.

Wofür benötigen wir eigentlich Gefühle?

"Wofür benötigen wir eigentlich Gefühle und wie teilen wir sie anderen mit?" ist eine der Kernfragen der Artikelserie "Fühlen ist ein wundersames Gefühl". Denn was Gefühle auch sein mögen, für den Alltagsmenschen ist wesentlich wichtiger, was sie bewirken

Gefühle sind im Ursprung grundsätzliche und lebenswichtige Regungen, die wir mit vielen Säugetieren teilen. Sie bestehen im Wesentlichen aus der Wahrnehmung von Grundbedürfnissen. Haben wir genügend Nahrung, Wasser und eine schützende Behausung, so dienen uns die übrigen Gefühle hauptsächlich dazu, das soziale Miteinander zu regeln und für Nachwuchs zu sorgen. Der Mensch ist darüber hinaus in der Lage, seine Gefühle „einzuordnen“ und Ihnen einen „Stellenwert“ zu geben – und er kann dabei leider auch gewaltig irren. Im folgenden Text reden wir überwiegend davon, wie wir Gefühle mit anderen Menschen teilen können.

Körper und Gefühle arbeiten nicht grundlos zusammen

Wenn wir von den Wurzeln der Gefühle ausgehen, so befinden wir uns mitten in der Evolution. Wir haben Triebe und Gefühle, die sich bis zum heutigen Tag in Körpersprache ausdrücken.

Wenn wir von den Wurzeln der Gefühle ausgehen, so befinden wir uns mitten in der Evolution. Wir haben Triebe und Gefühle, die sich bis zum heutigen Tag in Körpersprache ausdrücken. Da Körpersprache in der Natur nicht sinnlos vergeudet wird, muss sie einen Sinn haben oder jedenfalls gehabt haben. Wenn jemand behauptet „Je intensiver … (unsere) Gefühlsregung ist, umso deutlicher reagieren wir“, dann hat er zwar recht. Doch bei all diesen Aussagen sollten wir nicht vergessen, dass unsere Reaktionen einen Sinn haben – wenn die Natur oder die Evolution etwas getan hat, dann hatte es einen Sinn. Und daraus folgt: Wir reagieren nicht „irgendwie körperlich“, sondern wir senden zugleich Botschaften aus, indem wir körperlich reagieren.

Diese Botschaften haben den Sinn, unserer Umgebung etwas mitzuteilen, ob es nun Stolz, Freude, Scham oder ein anders Gefühl ist, das wir mit unseren Mitmenschen teilen. Dabei ist nicht die Frage, ob wir dies bewusst oder unbewusst tun, sondern vielmehr, ob es unsere soziale Umgebung richtig deutet.

Der bekannte Psychologe Paul Watzalwick hat ein Standardwerk darüber geschrieben. Einer der bekanntesten Sätze daraus heißt:

Es ist unmöglich, nicht zu kommunizieren.

In der Theorie klingt das eigenartig. Aber es ist ganz einfach: Du und eine Freundin unterhalten sich recht lebhaft in einem mittelgroßen Raum. Plötzlich kommt eine dritte Person hinzu – ein Fremder. Er schweigt und verlässt den Raum nicht mehr. Ich bin sicher, ihr ändert die Art, in der ihr miteinander umgeht. Das heißt: Die dritte Person hat mit euch kommuniziert – und dies, obgleich er kein Wort gesagt hat.

Wir empfangen Gefühle – oder auch nicht

In alten Zeiten gab es eine Denkweise, die als Reiz-Reaktions-Schema bekannt wurde. Da passiert etwas, und man weiß genau, welche Reaktion es darauf gibt. Das funktioniert bei dressierten Hunden tadellos – aber es muss deswegen nicht bei Gefühlen funktionieren. Tatsächlich gibt es drei Möglichkeiten, wenn jemand eine Gefühlsbotschaft aussendet:

1. Er/sie bekommt die Reaktion, die absehbar ist.
2. Er/sie bekommt eine andere, oft befremdliche Reaktion.
3. Er/sie bekommt gar keine Reaktion, weil die Botschaft nicht ankam.

Das ist absolut normal. Nehmen wir Elke, die gerade ihre Locken durch die Finger gleiten lässt und dabei zu Jan hinüberschaut. Normalerweise heißt das: „Jan, worauf wartest du – sprich mich an!“

Jan kann aber gerade an Heidemarie oder an gar nichts interessiert sein, was mit Kennenlernen zu tun hat. Oder er mag diese Geste nicht – oder aber auch: Er kann sie nicht einmal deuten.

Im Laufe der Evolution hat die Körpersprache an Wert eingebüßt. Das heißt, auch, dass wir sie schlechter verstehen als die Menschen der Steinzeit. Hinzu kommt, dass wir über den „zweiten Kanal“, also das gesprochene Wort, manchmal etwas anders Wahrnehmen als durch die Körpersprache. Und schließlich erleben wir oft das „Rauschen“ – zu viele Sinneseindrücke, aber keine, die wir genau zuordnen können.

Habt ihr etwas bemerkt? Wir reden im Moment noch von der Oberfläche. Senden oder empfangen wir überhaupt Gefühlsbotschaften? Verstehen wir sie und interpretieren sie richtig? Und stimmt die Behauptung, jemand würde flirten, ohne es selbst zu merken?

Um das zu beweisen, müssen wir uns einen berühmten Pferdetrainer und ein noch berühmteres Ross ansehen. Vom Pferd wurde behauptet, es können „rechnen“. Der Pferdetrainer war kein Betrüger – er glaubte ebenfalls, sein Pferd „Hans“ könne einfache Rechenaufgaben verstehen und wirklich „rechnen“. Berühmte Professoren wurden zurate gezogen, und sie kamen schließlich zu dem Schluss, das Pferd sei wirklich so eine Art Genie. Nicht so der Student Oskar Pfungst. Er bewies, dass Hans ein gewöhnliches Pferd war, das lediglich die Minen der Zuschauer oder die Reaktion seines Trainers deutete.

Was kann man damit beweisen? Vor allem, dass ein Pferd die Körpersprache der Menschen verstand, und im Umkehrschluss, dass die Menschen ihm Signale sandten, von denen sie selbst nichts wussten.

Analoge Missverständnisse - Gefühle ohne Worte

Was können wir gegen Missverständnisse und Fehlinterpretationen beim „analogen“ Austausch von Gefühlen tun?

Zunächst können wir etwas darüber lernen, wie die Körpersprache funktioniert. Wenn wir dies erlernen, können wir sowohl eindeutigere Signale an andere senden als auch, solche Signale zu empfangen. Manche Frauen wissen, wie sie Flirtsignale bewusst verstärken können, und manche von ihnen üben dies sogar vor dem Spiegel. Schauspieler(innen) lernen ebenfalls, wie sie Gefühle deutlicher an das Publikum „rüberbringen“ können. Wenn sie im Theater auftreten, müssen sie in der Lage sein, Gefühle bis in die letzte Reihe im dritten Rang sichtbar zu machen. Auch im Alltag können wir beobachten und lernen, wie Gefühle analog übermittelt werden können und wie man sie so verstärken kann, dass andere darauf aufmerksam werden.

Irgendwann sind diese Möglichkeiten erschöpft. Erst dann benutzen wir Worte und Sätze, um unsere Gefühle anderen gegenüber verständlich zu machen. Jede Person, die es zum ersten Mal versucht, wird wissen, wie heikel das sein kann, gleich ob man ein Fehlverhalten zugibt oder jemandem seine Liebe erklärt.

Es lohnt sich für alle, mehr darüber zu erfahren, wie wir Gefühle in gesprochene oder geschriebene Worte umsetzen können. Darüber mehr im Kapitel Gefühle beschreiben, verstehen und teilen.

Zitat aus: Watzlawick, Beavin und Jackson: Menschliche Kommunikation

Dieser Artikel wurde in verständlichem Deutsch für Lehrende und Lernende geschrieben.

Gefühle – analog und digital

Gefühle - analog und digital - die Umsetzung
In dieser Artikelserie schreibe ich ständig von Gefühlen, die "analog" in unserem Gehirn entstehen und dort auch so abgespeichert werden. Das Gegenteil davon wären „digitale“ Gefühlen, also Gefühle, die wir in Worte und Sätze fassen können und die auf diese Weise auch beschrieben werden können.

„Analoge“ Gefühle sind alle Eindrücke, die wir als Gefühle empfinden können, die wir aber (noch) nicht beschreiben können.

Wenn wir diesem „Eindruck“ einen Ausdruck geben wollen, haben Menschen mehrere Möglichkeiten. Eine davon ist, sie zu beschreiben. Wenn wir das tun, dann setzen wir sie in Zeichen, in diesem Fall in Worte. Das nennt man dann „digital“.

Gefühle analog zu digital umsetzen im Alltag

Die Umsetzung von analogen Gefühlen in Worte ist ausgesprochen schwer. Das betrifft unter den Erwachsenen vor allem Schriftsteller, Patienten der Ärzte sowie Klienten der Psychologen und Berater. Besonders schwierig wird es, wenn das Thema „Gefühle“ oder ein Bereich solcher Gefühle an Grenzen stößt. Das ist oft der Fall, wenn von Gefühlen die Rede ist, über die wir ungern reden oder die als Tabu gelten.

Einfache Unterschiede im Gespräch

Übrigens wird „analog“ oft falsch erklärt. Man kann einen rein „analogen“ Prozess als „stufenlos“ beschreiben. Das bedeutet aber auch, dass alles immer im Fluss ist – so wie die Gefühle. Deshalb versuchen wir, sie zu digitalisieren. „Ich sag dir, welche Gefühle mich jetzt bewegen“ ist digital. „Ich fühle etwas für dich“ ist eine Umschreibung für den Austausch anlaloger Gefühle.

Theorie in der Kommunikation

In der Kommunikation sagt man oft, dass wir „nonverbal“ kommunizieren – das ist analog, weil wir dann eine nicht genau beschreibbare Sprache aus Gestik und Mimik verwenden. „Verbale“ Kommunikation heißt im Gegensatz dazu: Kommunikation durch Worte und Sätze.

In diesem Zusammenhang sollten wir noch einen Blick auf den Unterschied zwischen „inneren“ und „äußeren“ Gefühlen werfen.

Wenn ihr euch dafür, interessiert, wie es funktioniert, Gefühle zu klären und in verständliche Sätze zu verwandeln, dann könnt ihr im Anhang noch mehr darüber lesen.

Falls ihr nur bis hierher gelesen habt: Wenn du wissen willst, welche Ideen wir zu den Gefühlen haben, dann kannst du das in unserem Artikel "Fühlen ist ein wundersames Gefühl" lesen. Darin steht auch, warum wir diesen eigenartigen Titel für die gesamte Serie gewählt haben.

Dieser Artikel wurde in verständlichem Deutsch für Lehrende und Lernende geschrieben.
"Gefühle – analog und digital" vollständig lesen