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 Echte Gefühle und wie sie beschrieben werden können.

Der Siegeszug des Begriffs "Gefühle" und einige Irrtümer

Gefühle - ein Name mit vielen Bedeutungen
Im Laufe der neueren Geschichte erleben wir, wie der Begriff „Gefühl“ in der Öffentlichkeit wie auch in Literatur und Forschung mehrdeutig gebraucht wird. Auffällig ist, dass der Begriff umso verwaschener wird, je mehr er in Blogs, Webseiten oder Büchern auftaucht. Dadurch entstehen Irrtümer und Mehrdeutigkeiten. Zudem wird der Begriff für zahlreiche menschliche Regungen gebraucht, die mit Gefühlen nichts zu tun haben. Dieses Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und ich trenne hier nicht in Gefühle und Emotionen.

Literatur und Erzählungen

Pseudo-Gefühle In Liebesromanen (Massenprodukte)

Der Liebesroman als Massenprodukt „verkitscht“ den Begriff mit „Seufzen und Sehnen“, „Herz und Schmerz“ und ähnlichen Versuchen, eine Fülle menschlicher Emotionen anzuregen, die in „Reinform“ nicht existieren.

Versuch der Autoren, echte Gefühle zu schildern

Viele Autoren nutzen Gefühle, um echte oder vermeintliche ethische Werte in den Vordergrund menschlichen Lebens zu stellen. Sie versuchen also, an „wertvolle“ Gefühle wie Mitleid, Treue oder selbstlose Liebe zu vermitteln.

Gefühle anhand einer Beschreibung vermitteln

Wer die Gefühle alltäglicher Menschen besonders transparent, ehrlich und farbig schildern will, benutzt in der Regel ausführliche Beschreibungen, wie seine (ihre) Figur fühlt und nicht, was sie fühlt. Enthalten solche Schilderungen Konflikte oder gemischte Gefühle, so sind sie näher am Alltag als man dies mit eindeutigen, linearen Gefühlen erreichen kann.

Gefühle, Erotik und Fantasien

Nahezu alle Menschen - also nicht nur Schriftsteller(innen) - nutzen Fantasien, um sich selbst in Stimmungen zu versetzen. Dabei geht es nicht selten um Handlungen, die ausschließlich in der Fantasie möglich sind. In der Erotik spielen solche Fantasien oft eine wichtige Rolle.

Wissenschaften

In der Philosophie

Seit Jahrhunderten schreibt man der Philosophie die Kompetenz zu, alle Eigenschaften des Menschseins erklären zu können Sie steht damit im Wettbewerb mit der Religion und den Naturwissenschaften. Ich habe der Philosophie nur ein kurzes Kapitel gewidmet, weil sich andere Wissenschaften inzwischen stärker mit Gefühlen auseinandergesetzt haben.

Im Konstruktivismus

Der Konstruktivismus behauptet, dass wir alle unterschiedliche Modell der Realität haben, die wir selbst erschaffen haben. Das gilt auch (oder gerade) für Gefühle, weil die „Wirklichkeiten“ der Gefühle so gut wie immer im Verborgenen liegen. Mehr über Gefühle und Konstruktivismus kannst du im Link lesen.

In der Psychologie und Psychotherapie

Die Psychologie kennt viele, recht unterschiedliche Modell und Sichtweisen der Gefühle, die teilweise in das „Unbewusste“ verlegt wurden. Im Jahr 1980 entwickelte der Psychologie-Professor Robert Plutchik ein Konzept für die Etikettierung der meisten Gefühle, das als die „Acht Primäremotionen“ bekannt wurde. Die Psychologie kennt darüber hinaus Methoden, um Gefühle abzuschwächen oder zu verstärken. In der Psychotherapie wurden zahlreiche Wege innerhalb der Verhaltenspsychologie gefunden. Ferner tragen manche Methoden der Psychotherapie zur Selbstheilung bei, indem sie Freiräume zur Verfügung stellt, in denen man sich „alles von der Seele reden kann“. Ein Beispiel ist die Gesprächspsychotherapie.

In der Neuropsychologie

Die Neuropsychologie ist ein Teilgebiet der Neurologie und befasst sich mit allem, was mit dem Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Lernen und Verarbeitung und Automatisierung von Informationen zusammenhängt. Dabei werden auch Rückwirkungen („Feedback“) untersucht.

Wenn Psychologen diese Erklärung formulieren, klingt sie geringfügig anders. Dann ist die Neuropsychologie ein Teilgebiet der Psychologie.

Neutral betrachtet, hebt die Neuropsychologie die „klassischen“ Schranken zwischen den Begriffen "Körper", „Geist“ und „Psyche“ auf. Dabei spielt die Verarbeitung der Gefühle eine entscheidende Rolle.

In der Psychiatrie

Psychiater und Allgemeinmediziner behandeln Menschen, die unter ihren Gefühlen leiden und die versuchen, dieses Leiden zu mildern. Sie entwickeln auch Theorien über Gefühle.

Gefühle und Gesundheit

Die Weltgesundheitsorganisation bringt ganz bewusst das Wohlbefinden in der Gesundheitsbegriff ein. Es soll sich auf Körper, Geist und soziale Belange beziehen.

In der Soziologie

Soziologen interessieren sich für Gefühle, wenn sie offensichtlich Einflüsse auf eine Gruppe von Menschen haben oder für Gruppen, die Gefühle äußern oder verbreiten. Neuerdings versucht die Emotionssoziologie, Zusammenhänge zwischen den Gefühlen, der Persönlichkeit, dem Körper , der Kultur und der Gesellschaftsordnung zu untersuchen.

In der Natur- und Gehirnforschung

In der Erforschung der Natur geht es weitgehend darum, die Prozesse des Lebendigen zu beschreiben. Nach allgemeiner Überzeugung versucht die Natur, ihre starken Waffen zur Lebenserhaltung nur dann einzusetzen, wenn es für das Überleben wichtig ist. Da die Gefühle dazu zählen, sind sie also nicht beständig aktiv, sondern liegen sozusagen in „Alarmbereitschaft“. Inzwischen sind zahlreiche biochemische Botenstoffe bekannt, die Gefühle auslösen und unterstützen. Alle diese Vorgänge werden vom Gehirn gesteuert.

In der Biochemie

Neurotransmitter sind Stoffe, die Gefühle erzeugen, verstärken und einschränken können. Obwohl sie teilweise schon sehr lange bekannt sind, wurde ihre Bedeutung für das Gefühlsleben erst durch die moderne Gehirnforschung und die Neuropsychologie bekannt.

In der Ökonomie

Ökonomie klingt immer sehr nach „Wirtschaftlichkeit“. Doch in der Tat gibt es Überlegungen, wann, wie und warum die Natur sparsam mit Emotionen umgeht und wann sie sozusagen „ein Füllhorn von Gefühlen“ ausschüttet. Zur Ökonomie der Gefühle gehört auch, nach welchen Gefühlen wir streben und welche davon erhältlich sind - also das "Martktgeschehen" rund um die Gefühle sowie der Handel mit Gefühlen. Dieses Thema wurde bisher nur selten behandelt, bestenfalls als "Ökonomie der Sexualität".

In der Kybernetik

Die Kybernetik untersucht Prozesse – also keine Eigenschaften. Dabei spielt die Selbstregulierung eine entscheidende Rolle. Um sie zu gewährleisten, werden sehr kleine Mengen von Energie abgezweigt, um sehr umfassende Funktionen zu ermöglichen oder sicherzustellen. Die Gefühle werden in dieser Theorie automatisch aktiviert, aber nur dann, wenn es notwendig ist, sie abzurufen. Ansonsten schlummern sie im Gedächtnis, so, wie sie dort abgespeichert sind. All diese Prozesse laufen im Hintergrund ab, sind also nicht ohne weiteres erkennbar. Das Thema Gefühle und Kybernetik wird hier ausführlicher besprochen.

Im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI)

Gefühle und Intelligenz schließen einander nicht aus. Und weil Menschen lernen können, in Gesprächen Gefühle hervorzurufen oder zu verstärken, können wir es auch Maschinen lehren. Näheres darüber findet ihr in in diesem Blog unter: Gefühle und künstliche Intelligenz.

Andere Bereiche, in denen Gefühle eine Rolle spielen

Gefühle in der Kommunikationslehre - die Theorie

In der Kommunikationslehre spielen Gefühle eine wichtige Rolle. Nach allgemeinen Theorien können wir mittels der Sprache kommunizieren (verbal, digital), oder auch ohne Sprache (mit Mimik und Gestik), aber auch analog oder nonverbal genannt. Die Lehre besagt zumeist, dass wir nicht nur Informationen, sondern auch Gefühle transportieren, wenn wir zu anderen Menschen sprechen. Das ist auch bei der Kommunikation mit Worten und Sätzen möglich, nicht nur bei der analogen (nonverbalen) Kommunikation.

Was haben Gefühle mit Persönlichkeitsmerkmalen zu tun?

An Persönlichkeitsmerkmalen haben sich schon griechische Philosophen versucht (Charakterkunde). Heute wird aus psychologischer Sicht überwiegend das Modell der „Großen Fünf“ (Fünffaktorenmodell) benutzt. Es bezeichnet aber nicht die Gefühle selbst, sondern beinhaltet eher, wie Menschen mit ihren Gefühlen umgehen. Grob vereinfacht, sagt es aus, ob wir offen, gewissenhaft, gesellig, verträglich und wie wir mit den Gefühlen umgehen, die zu unserer Person gehören, „Neurotizismus“ genannt.

Die Modelle der Gefühle und die Realitäten

Nahezu alle, die über Gefühle schreiben und forschen, verwenden dazu Modelle. Das liegt daran, dass jeder Mensch und jede Maschine ein Modell hat, das nur in Teilen der Wirklichkeit entspricht. Stimmen Modell und Wirklichkeit überein, dann ist es für Menschen leicht, sich in ihrer Wirklichkeit zurechtzufinden. Wenn nicht, werden sie verwirrt. Schlimmstenfalls leiden sie dann an „Realitätsverlust“.

Gefühle, Illusionen und Manipulationen

Wahre Liebe? Gemeinsame Gefühle? Vorsicht bitte - es könnte sich um Illusionen handeln. Und manchmal ist es deutlich wahrscheinlicher, dass wir uns mit Illusionen befreunden.

In Mystik und Glaube

Nur in der Religion und in zahllosen „esoterischen“ Zirkel wir noch angenommen, die Gefühle würden den Menschen „von außen“ durch geheimnisvolle Mächte eingepflanzt. (Götter, Teufel, weiße oder schwarze Magie). Das würde bedeuten: Die Gefühle werden „fremdgesteuert“. Der Brauch, bestimmte Gefühle mit höheren oder geheimnisvollen Mächten zu verbinden, ist historisch gewachsen. Die Religionen spielen dabei ebenfalls eine Rolle.

Was es noch dazu zu sagen gibt

Ich hoffe inständig, dass ihr nun nicht allzu verwirrt seid. Aber ähnlich wie auf anderen Gebieten des Lebens reicht eine Sichtweise nicht aus, um komplexe Fragen zu beantworten. Einige der zuvor angesprochenen Wissenschaften und Denkweisen behandeln wir noch gründlicher als wir es hier in der Kürze tun konnten.

Wenn wir heute (2024) von Gefühlen oder Emotionen reden, kommen wir an der Naturwissenschaft nicht mehr vorbei. In vielen Bereichen müssen wir komplett umdenken - zum Beispiel bei der Wirkung der körpereigenen Drogen, die wir mit den Namen der jeweiligen Botenstoffe bezeichnen.

Dieser Artikel wurde in verständlichem Deutsch für Lehrende und Lernende geschrieben.

Titelbild: Sehpferd-Archiv, Südafrika, unbekannter Künstler / Galerie Mukondeni