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 Echte Gefühle und wie sie beschrieben werden können.

Der Siegeszug des Begriffs "Gefühle" und einige Irrtümer

Gefühle - ein Name mit vielen Bedeutungen
Im Laufe der neueren Geschichte erleben wir, wie der Begriff „Gefühl“ in der Öffentlichkeit wie auch in Literatur und Forschung mehrdeutig gebraucht wird. Auffällig ist, dass der Begriff umso verwaschener wird, je mehr er in Blogs, Webseiten oder Büchern auftaucht. Dadurch entstehen Irrtümer und Mehrdeutigkeiten. Zudem wird der Begriff für zahlreiche menschliche Regungen gebraucht, die mit Gefühlen nichts zu tun haben. Dieses Zusammenstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und ich trenne hier nicht in Gefühle und Emotionen.

Literatur und Erzählungen

Pseudo-Gefühle In Liebesromanen (Massenprodukte)

Der Liebesroman als Massenprodukt „verkitscht“ den Begriff mit „Seufzen und Sehnen“, „Herz und Schmerz“ und ähnlichen Versuchen, eine Fülle menschlicher Emotionen anzuregen, die in „Reinform“ nicht existieren.

Versuch der Autoren, echte Gefühle zu schildern

Viele Autoren nutzen Gefühle, um echte oder vermeintliche ethische Werte in den Vordergrund menschlichen Lebens zu stellen. Sie versuchen also, an „wertvolle“ Gefühle wie Mitleid, Treue oder selbstlose Liebe zu vermitteln.

Gefühle anhand einer Beschreibung vermitteln

Wer die Gefühle alltäglicher Menschen besonders transparent, ehrlich und farbig schildern will, benutzt in der Regel ausführliche Beschreibungen, wie seine (ihre) Figur fühlt und nicht, was sie fühlt. Enthalten solche Schilderungen Konflikte oder gemischte Gefühle, so sind sie näher am Alltag als man dies mit eindeutigen, linearen Gefühlen erreichen kann.

Gefühle, Erotik und Fantasien

Nahezu alle Menschen - also nicht nur Schriftsteller(innen) - nutzen Fantasien, um sich selbst in Stimmungen zu versetzen. Dabei geht es nicht selten um Handlungen, die ausschließlich in der Fantasie möglich sind. In der Erotik spielen solche Fantasien oft eine wichtige Rolle.

Wissenschaften

In der Philosophie

Seit Jahrhunderten schreibt man der Philosophie die Kompetenz zu, alle Eigenschaften des Menschseins erklären zu können Sie steht damit im Wettbewerb mit der Religion und den Naturwissenschaften. Ich habe der Philosophie nur ein kurzes Kapitel gewidmet, weil sich andere Wissenschaften inzwischen stärker mit Gefühlen auseinandergesetzt haben.

Im Konstruktivismus

Der Konstruktivismus behauptet, dass wir alle unterschiedliche Modell der Realität haben, die wir selbst erschaffen haben. Das gilt auch (oder gerade) für Gefühle, weil die „Wirklichkeiten“ der Gefühle so gut wie immer im Verborgenen liegen. Mehr über Gefühle und Konstruktivismus kannst du im Link lesen.

In der Psychologie und Psychotherapie

Die Psychologie kennt viele, recht unterschiedliche Modell und Sichtweisen der Gefühle, die teilweise in das „Unbewusste“ verlegt wurden. Im Jahr 1980 entwickelte der Psychologie-Professor Robert Plutchik ein Konzept für die Etikettierung der meisten Gefühle, das als die „Acht Primäremotionen“ bekannt wurde. Die Psychologie kennt darüber hinaus Methoden, um Gefühle abzuschwächen oder zu verstärken. In der Psychotherapie wurden zahlreiche Wege innerhalb der Verhaltenspsychologie gefunden. Ferner tragen manche Methoden der Psychotherapie zur Selbstheilung bei, indem sie Freiräume zur Verfügung stellt, in denen man sich „alles von der Seele reden kann“. Ein Beispiel ist die Gesprächspsychotherapie.

In der Neuropsychologie

Die Neuropsychologie ist ein Teilgebiet der Neurologie und befasst sich mit allem, was mit dem Wahrnehmen, Fühlen, Denken, Lernen und Verarbeitung und Automatisierung von Informationen zusammenhängt. Dabei werden auch Rückwirkungen („Feedback“) untersucht.

Wenn Psychologen diese Erklärung formulieren, klingt sie geringfügig anders. Dann ist die Neuropsychologie ein Teilgebiet der Psychologie.

Neutral betrachtet, hebt die Neuropsychologie die „klassischen“ Schranken zwischen den Begriffen "Körper", „Geist“ und „Psyche“ auf. Dabei spielt die Verarbeitung der Gefühle eine entscheidende Rolle.

In der Psychiatrie

Psychiater und Allgemeinmediziner behandeln Menschen, die unter ihren Gefühlen leiden und die versuchen, dieses Leiden zu mildern. Sie entwickeln auch Theorien über Gefühle.

Gefühle und Gesundheit

Die Weltgesundheitsorganisation bringt ganz bewusst das Wohlbefinden in der Gesundheitsbegriff ein. Es soll sich auf Körper, Geist und soziale Belange beziehen.

In der Soziologie

Soziologen interessieren sich für Gefühle, wenn sie offensichtlich Einflüsse auf eine Gruppe von Menschen haben oder für Gruppen, die Gefühle äußern oder verbreiten. Neuerdings versucht die Emotionssoziologie, Zusammenhänge zwischen den Gefühlen, der Persönlichkeit, dem Körper , der Kultur und der Gesellschaftsordnung zu untersuchen.

In der Natur- und Gehirnforschung

In der Erforschung der Natur geht es weitgehend darum, die Prozesse des Lebendigen zu beschreiben. Nach allgemeiner Überzeugung versucht die Natur, ihre starken Waffen zur Lebenserhaltung nur dann einzusetzen, wenn es für das Überleben wichtig ist. Da die Gefühle dazu zählen, sind sie also nicht beständig aktiv, sondern liegen sozusagen in „Alarmbereitschaft“. Inzwischen sind zahlreiche biochemische Botenstoffe bekannt, die Gefühle auslösen und unterstützen. Alle diese Vorgänge werden vom Gehirn gesteuert.

In der Biochemie

Neurotransmitter sind Stoffe, die Gefühle erzeugen, verstärken und einschränken können. Obwohl sie teilweise schon sehr lange bekannt sind, wurde ihre Bedeutung für das Gefühlsleben erst durch die moderne Gehirnforschung und die Neuropsychologie bekannt.

In der Ökonomie

Ökonomie klingt immer sehr nach „Wirtschaftlichkeit“. Doch in der Tat gibt es Überlegungen, wann, wie und warum die Natur sparsam mit Emotionen umgeht und wann sie sozusagen „ein Füllhorn von Gefühlen“ ausschüttet. Zur Ökonomie der Gefühle gehört auch, nach welchen Gefühlen wir streben und welche davon erhältlich sind - also das "Martktgeschehen" rund um die Gefühle sowie der Handel mit Gefühlen. Dieses Thema wurde bisher nur selten behandelt, bestenfalls als "Ökonomie der Sexualität".

In der Kybernetik

Die Kybernetik untersucht Prozesse – also keine Eigenschaften. Dabei spielt die Selbstregulierung eine entscheidende Rolle. Um sie zu gewährleisten, werden sehr kleine Mengen von Energie abgezweigt, um sehr umfassende Funktionen zu ermöglichen oder sicherzustellen. Die Gefühle werden in dieser Theorie automatisch aktiviert, aber nur dann, wenn es notwendig ist, sie abzurufen. Ansonsten schlummern sie im Gedächtnis, so, wie sie dort abgespeichert sind. All diese Prozesse laufen im Hintergrund ab, sind also nicht ohne weiteres erkennbar. Das Thema Gefühle und Kybernetik wird hier ausführlicher besprochen.

Im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI)

Gefühle und Intelligenz schließen einander nicht aus. Und weil Menschen lernen können, in Gesprächen Gefühle hervorzurufen oder zu verstärken, können wir es auch Maschinen lehren. Näheres darüber findet ihr in in diesem Blog unter: Gefühle und künstliche Intelligenz.

Andere Bereiche, in denen Gefühle eine Rolle spielen

Gefühle in der Kommunikationslehre - die Theorie

In der Kommunikationslehre spielen Gefühle eine wichtige Rolle. Nach allgemeinen Theorien können wir mittels der Sprache kommunizieren (verbal, digital), oder auch ohne Sprache (mit Mimik und Gestik), aber auch analog oder nonverbal genannt. Die Lehre besagt zumeist, dass wir nicht nur Informationen, sondern auch Gefühle transportieren, wenn wir zu anderen Menschen sprechen. Das ist auch bei der Kommunikation mit Worten und Sätzen möglich, nicht nur bei der analogen (nonverbalen) Kommunikation.

Was haben Gefühle mit Persönlichkeitsmerkmalen zu tun?

An Persönlichkeitsmerkmalen haben sich schon griechische Philosophen versucht (Charakterkunde). Heute wird aus psychologischer Sicht überwiegend das Modell der „Großen Fünf“ (Fünffaktorenmodell) benutzt. Es bezeichnet aber nicht die Gefühle selbst, sondern beinhaltet eher, wie Menschen mit ihren Gefühlen umgehen. Grob vereinfacht, sagt es aus, ob wir offen, gewissenhaft, gesellig, verträglich und wie wir mit den Gefühlen umgehen, die zu unserer Person gehören, „Neurotizismus“ genannt.

Die Modelle der Gefühle und die Realitäten

Nahezu alle, die über Gefühle schreiben und forschen, verwenden dazu Modelle. Das liegt daran, dass jeder Mensch und jede Maschine ein Modell hat, das nur in Teilen der Wirklichkeit entspricht. Stimmen Modell und Wirklichkeit überein, dann ist es für Menschen leicht, sich in ihrer Wirklichkeit zurechtzufinden. Wenn nicht, werden sie verwirrt. Schlimmstenfalls leiden sie dann an „Realitätsverlust“.

Gefühle, Illusionen und Manipulationen

Wahre Liebe? Gemeinsame Gefühle? Vorsicht bitte - es könnte sich um Illusionen handeln. Und manchmal ist es deutlich wahrscheinlicher, dass wir uns mit Illusionen befreunden.

In Mystik und Glaube

Nur in der Religion und in zahllosen „esoterischen“ Zirkel wir noch angenommen, die Gefühle würden den Menschen „von außen“ durch geheimnisvolle Mächte eingepflanzt. (Götter, Teufel, weiße oder schwarze Magie). Das würde bedeuten: Die Gefühle werden „fremdgesteuert“. Der Brauch, bestimmte Gefühle mit höheren oder geheimnisvollen Mächten zu verbinden, ist historisch gewachsen. Die Religionen spielen dabei ebenfalls eine Rolle.

Was es noch dazu zu sagen gibt

Ich hoffe inständig, dass ihr nun nicht allzu verwirrt seid. Aber ähnlich wie auf anderen Gebieten des Lebens reicht eine Sichtweise nicht aus, um komplexe Fragen zu beantworten. Einige der zuvor angesprochenen Wissenschaften und Denkweisen behandeln wir noch gründlicher als wir es hier in der Kürze tun konnten.

Wenn wir heute (2024) von Gefühlen oder Emotionen reden, kommen wir an der Naturwissenschaft nicht mehr vorbei. In vielen Bereichen müssen wir komplett umdenken - zum Beispiel bei der Wirkung der körpereigenen Drogen, die wir mit den Namen der jeweiligen Botenstoffe bezeichnen.

Dieser Artikel wurde in verständlichem Deutsch für Lehrende und Lernende geschrieben.

Titelbild: Sehpferd-Archiv, Südafrika, unbekannter Künstler / Galerie Mukondeni

Das Wort „Gefühle“ – seit wann gibt es das?

Das Wort Gefühl, das wir heute alle kennen, hat eine relative kurze Geschichte. Wenn ein Mensch ziemlich „am Boden zerstört“ war, sagte man früher auch „er hat seine Gefühle verloren“ oder „er hat das Gefühl verloren“. Ähnlich wurde es auch für „ganz wilde Triebe“ gebraucht, die aus der menschlichen Natur kommen. Sie sind plötzlich da - und sie spielen in der Liebe eine große Rolle.

In einem Lexikon, das um 1900 erschien, wurde nach und nach klarer, was man im Deutschen mit „Gefühlen“ meint (sprachlich angepasst) (1):

Gefühle sind die Besonderheiten des Menschen, von Eindrücken, Beobachtungen und Vorstellungen berührt zu werden – zum Beispiel können sie Lust erzeugen oder auch Traurigkeit.

Das könnte man auch heute noch so sagen. Inzwischen beschäftigen sich vor allen Dingen zwei Gruppen von Leuten mit Gefühlen: Künstler und Wissenschaftler. Künstler wollen Gefühle zeigen und an uns „rüberbringen“, Wissenschaftler wollen sie erklären.

Wer erklärt Gefühle?

Manche Wissenschaften sind sehr alt, zum Beispiel die Philosophie. Sie will uns erklären, was mit uns Menschen los ist – nicht nur bei Gefühlen. Dazu kommt noch die Psychologie, das ist eine Wissenschaft, die sich mit allem beschäftigt, was wir fühlen und wer wir sind.

Neu ist, dass wir uns mit dem Gehirn selbst beschäftigen. Seither wissen wir, dass die Gefühle dort sozusagen „geprüft“ werden, bevor etwas damit passiert. Und seit wir mehr über das Gehirn wissen, haben wir auch erfahren, dass es eine „Körperchemie“ gibt. Und die kann unsere Gefühle so beeinflussen, dass wir uns besser fühlen.

Es gibt noch mehr Leute, die uns sagen wollen, was Gefühle sind. Aber am Ende bleibt uns nichts anderes übrig, als selber herauszufinden, was wir Fühlen und was Gefühle „mit uns machen“. Denn die Art, wie wir leben, ändert sich und unsere Vorstellungen verändern sich auch – nicht nur die von jungen Menschen, sondern bis ins Alter.

Ergänzung zur Reihe "Fühlen ist ein seltsames Gefühl" für Grundschüler.
(1) Nach Meyers Lexikon, aber an einfache Sprache angepasst.
Gefühle - in einfachem Deutsch
Dieser Text wurde in einfachem Deutsch geschrieben. Eine ausführliche Version für Lehrende und Lernende liegt ebenfalls vor.

Seit wann reden wir von Gefühlen - und wie nannte man sie vorher?

Als das Wort Gefühle noch selten gebraucht wurde ...
Wenn du wissen willst, wie lange es schon das Wort Gefühle im heutigen Sinne gibt, lies diesen Artikel. Er ist ziemlich lang, und deswegen sagen wir dir schon jetzt: du brauchst ein bisschen Geduld.

Das Gemüt und der Affekt

Das Gefühl als „menschliche Regung“ wurde erst spät in den deutschen Sprachgebrauch aufgenommen. Zuvor benutzte man den Begriff „das Gemüt“ für die Zusammenfassung von Zuständen, die uns bewegen. Im heutigen Sprachgebrauch heißen sie „Emotionen“. Damals allerdings nannte man sie auch „Affekte“, weil sie nicht restlos willentlich gesteuert werden konnten. Um zu beschreiben, was das Gemüt umfasste, schauen wir unter „Gemütsbewegungen“ in Meyers Lexikon von 1895:

Gemütsbewegungen nennt man diejenigen geistigen Erregungszustände, welche den Körper deutlich in Mitleidenschaft ziehen, wie Freude, Schmerz, Schrecken, Scham etc.

Schon damals war man sich nicht sicher, ob man „Gefühle“ separat ansehen sollte oder unter die „Affekte“ einreihen müsste. Man kam zu dem Schluss, dass man diejenigen Emotionen „Affekte“ bezeichnen müsste, die sich als „rasch vorübergehende Abweichungen vom natürlichen Gleichgewicht des Seelenlebens“ entpuppen. Die anderen, „edlen“ Gefühle galten als „Bestandteile des menschlichen Charakters“. Dazu würden unter anderem die Liebe zu Ehefrau und Kindern sowie das Ehrgefühl gehören.

Diese Einteilung in „flüchtige Leidenschaften“ und „tugendhafte Gefühle“ ist zwar völlig unwissenschaftlich, wirkt aber bis zum heutigen Tag nach.

Wer spricht über Empfindungen und Leidenschaften?

Das „Sprechen über Gefühle“ ist ohnehin eine Idee, die uns erst im 19. Jahrhundert begegnet, und hier hauptsächlich unter Schriftstellern. Sie waren gefordert, gefühlsstarke Texte zu produzieren, als sich die deutsche Romantik verbreitete und zahllose Anhänger fand. Dabei spielten die „Gefühle aus dem Inneren“ erstmals eine tragende Rolle, während man zuvor glaubte, Gefühle würden „von außen“ an die Menschen herangetragen. Erst im 20. Jahrhundert diskutierte man, ob es sinnvoll sei, sich über Gefühle in Gesprächen auszutauschen.

Aus der Seele, aus der Lust, aus der Brust

Die ältesten Quellen verweisen darauf, dass der Ausdruck „Gefühl“ in erster Linie mit „Sinnlichkeit“ in Verbindung gebracht wurde. Auch in der Dichtung muss man das Wort „Gefühl“ noch mit der Lupe suchen. Als globaler Begriff für „die“ Gefühle kommen nur ausgesprochen wenige Quellen infrage, die zudem als „mundartlich“ bezeichnet werden.

Denn alle Gefühle, große und kleine,
Kommen aus der Seele alleine.

(Im Original: Mittelniederländisch, 1864, in „der leken spieghel“)

Im Allgemeinen stand das „Gefühl“ aber auch stellvertretend für „die Lust“, beispielsweise:

„Sanfte Gefühle, von dir einst durchdrungen … die Schäferin war ihr Gesang“.

(Friedrich Karl Kasimir von Creutz, ca. 1750.)

Oder, in ähnlicher Weise:

Ihr, o Schönen dieser Zeit, ihr galanten Schäferinnen,
Anders hab' ich nichts vor euch, nehmt den besten meiner Sinnen,
Nehmt das zärtliche Gefühle und die treue Redlichkeit.

Johann Christian Günther, Dichter, 1732.

Der schnelle Wandel des Begriffs in Lexika

Wenn überhaupt von Gefühlen als „Regungen aus dem Inneren“ gesprochen und geschrieben wird, dann unter dem Stichwort „Gefühl – psychologisch“. Die neue Wissenschaft tauchte beispielsweise in „Mayers Konversationslexikon“ (1885-1892) auf. Dort wird auch bereits ein Kernsatz erwähnt, der bis heute Gültigkeit hat:

In der Natur der Gefühle ist es begründet, dass sie der äußern Darstellung und Mitteilung durch (sichtbare oder hörbare) Zeichen große Schwierigkeiten bieten.

Interessant ist dabei, dass schon 1895 die Trennung von „Gefühlen“ und „Gefühlen psychologisch“ aufgehoben wird, denn nun leitet Meyers den Abschnitt so ein:

Gefühl bezeichnet im abstrakten Sinne die Eigentümlichkeit oder Fähigkeit der Seele, durch Empfindungen, Wahrnehmungen und Vorstellungen angenehm oder unangenehm berührt zu werden. Im konkreten Sinne die dadurch entstehenden mannigfaltigen Gefühle der Lust oder Unlust.

(Nicht im Internet zu finden, Besitz des Autors).

Die neue Version war offensichtlich eine Folge der Forschungen des Leipziger Professors Wilhelm Wundt (1832 – 1920). Er begründete ein an die Naturwissenschaften angelehnte Beweisführung für das, was uns als „Gefühle“ bekannt wird.

Seither werden Gefühle sehr unterschiedlich beurteilt. In der Literatur wie auch im Volksmund benutzt man eher das Wort „Gefühl“, während man ansonsten eher von „Emotion“ spricht. Der Begriff „Gemüt“ geht hingegen immer mehr zurück und die natürlichen Gefühle werden nicht mehr als bloße „Affekte“ bezeichnet.

Soweit der historische Rückblick auf das Wort. Ich empfehle, noch die Ergänzung zu lesen. Dort führe ich verschiedene Gruppen auf, die sich mit Gefühlen beschäftigen und schreibe kurz über die Sichtweisen, die dabei vertreten werden.

Wenn du wissen willst, warum die Psychologie eine so wichtige Rolle bei den Betrachtung der Gefühle spielt, dann lies hier weiter. Du kannst die Einleitung auch Überschlagen, wenn du wissen willst, wie die Psychologie Gefühle einordnet.

Wenn du danach suchst, was der Unterschied zwischen Gefühlen und Emotionen ist, kann es hilfreich sein, den verlinkten Beitrag zu lesen.

Eine vereinfachte Version für Grundschüler ist ebenfalls vorhanden. Sie trägt den Titel: "Das Wort Gefühle - seit wann gibt es das?

Soweit Meyers zitiert wird: "retrolib"
Weitere Wörterbuch-Zitate nach einer neueren Ausgabe von Meyers.
Wörterbuchnetz-Zitate, Grimm, hier nachzulesen.
Weiterhin herangezogen: Dorsch und Spektrum.
Bild von Leon Lebègue, historisch, Detail, Buchillustration.


Text aus Kapitel 1 der Online-Reihe "Fühlen ist ein seltsames Gefühl".

Gefühle – Einleitung zu „Fühlen ist ein wundersames Gefühl“

Schon mein Titel „Fühlen ist ein wundersames Gefühl“ mag viele meiner zukünftigen Leser zweifeln lassen. Wieso kann „Fühlen“ ein „Gefühl“ sein?

Doch wer Schulaufsätze, Novellen und andere Schriften durchsucht, wird schnell erfahren, wie viele Menschen „Gefühle fühlen“. Ich fand das „bejahende Fühlen deiner Gefühle“ ebenso wie man „Fühlen erlernen“ kann oder wie du „Kontakt zu deinen Gefühlen“ herstellen kannst. Das sind alles Ideen, die davon ausgehen, dass Gefühle ein „psychisches Phänomen“ sind.

Wer Schreiben lehrt, sei es ein Deutschlehrer oder jemand, der Autoren heranbildet, wird immer darauf hinweisen, dass man weder die Angst noch die Lust fühlt, weil sie bereits Gefühle sind. In normalen Schulen wie auch in Schreibschulen gibt es Auflistungen, wie man Gefühle am besten beschreibt – nämlich anhand der Auswirkungen.

Wie kommt es nun, dass wir immer wieder lesen, dass wir Gefühle „fühlen“ sollen?

Die Antwort ist erstaunlich einfach: Alles, was wir nicht beschreiben können, wollen, sollen oder gar dürfen, versuchen wir mit einem einzigen Wort zu erklären. Falls uns jemand um eine etwas genauere Beschreibung bittet, werden wir mit anderen Worten abgespeist, und so geht es gerade so weiter.

Das muss nicht sein.

Was, zum Donnerwetter, sind eigentlich Gefühle?

Erstaunlicherweise steht nicht einmal fest, was alles unter den Begriff „Gefühle“ fällt. Einmal sind es die Grundlagen des Lebens, die uns die Evolution mitgegeben hat, um zu überleben. Dann sind es Reize, die von außen auf uns einwirken und mit den Sinnen aufgenommen werden. Besonders intensiv wirken biochemische Prozesse, die das Gehirn einleitet, um elementare Triebe zu steuern. Hinzu kommen Stimmungen, die wir ebenfalls als Gefühle bezeichnen. Eine exakte Definition des Wortes „Gefühl“ existiert nicht. Und weil das so ist, müssen wir an die „Graswurzeln“ zurück - in diesem Fall zu den Grundlagen unserer Existenz.

Was also sind Gefühle wirklich?

Im Grunde ist es ganz einfach: Gefühle sind in ihren Grundlagen alle Impulse, die nötig sind, um unser Leben zu erhalten oder zu gestalten. Man könnte sie auch als „Anreize“ oder „Auslöser“ bezeichnen, denn Gefühle allein bewirken gar nichts. Ich zitiere dazu eine Quelle aus der Schule:

Reizbarkeit ist ein Merkmal des Lebens. Ohne Aufnahme von Informationen ist keine sinnvolle Interaktion eines Lebewesens mit seiner Umwelt denkbar.

Aus Gefühlen werden manchmal Emotionen

Die Auswirkungen einiger Gefühle nennen wir Emotionen, auf Deutsch oft „Gemütsbewegungen“ genannt. Es sind sozusagen „Gefühle in Bewegung“. Denn die Evolution hat uns nicht ohne Absicht mit Gefühlen ausgestattet - sie sollen etwas bewirken. Gefühle, die keine Auswirkungen haben, werden von uns gar nicht beachtet, weil sie vorab abgefiltert werden. Auch „das Gefühl in Bewegung“, also die Emotion, muss nicht sofort etwas Bestimmtes auslösen. Psychisch halbwegs gesunde Menschen können ziemlich sicher sein, dass ihr Gehirn nur dass „durchlässt“, was wirklich dringlich und lebensentscheidend ist.

Die Wissenschaftliche Definition von Emotionen

Um das Zusammenspiel von Gefühlen, Emotionen sowie Gedanken und ihren Auswirkungen zu verstehen, halte ich diese Erklärung für hilfreich:

Emotionen sind psychologische Zustände, welche durch neurophysiologische Veränderungen hervorgerufen werden, die auf verschiedene Weise mit Gedanken, Gefühlen, Verhaltensreaktionen und einem gewissen Grad an Freude oder Unmut verbunden sind.

Der Satz ist im Grunde revolutionär. Er sagt uns, dass es gar nicht darauf ankommt, welche „Gefühle“ auf uns einwirken, sondern nur, was sie in uns bewirken. Die heutige Forschung beweist uns mit einiger Sicherheit, wo die Grundlagen der Gefühle zu suchen sind: In biochemischen Prozessen, die wir nicht oder nur unter Mühen beeinflussen können.

Mit diesem Wissen können wir nüchterner an die Gefühle und ihre Auswirkungen herangehen als mit jeder philosophischen oder psychologischen Theorie.

Wie aber nähern wir uns den Gefühlen wirklich?

Wir versuchen, Gefühle in Alltagssprache zu fassen. Wir beginnen damit, Gefühle zu beschreiben, statt sie zu benennen. Dann kümmern wir uns darum, welche Emotionen daraus entstehen. Und schließlich werden wir uns damit beschäftigen, was daraus folgt.

Die Praxis ist allerdings ungleich schwerer. Die verschwommenen, analogen „Gefühlsregungen“ lassen sich nur schwer in Worte umsetzen, und die Neigung, statt dessen Schlagworte zu verwenden, ist verführerisch.

Deshalb versuche ich, hier zu beschreiben, warum uns Gefühle in Erklärungs- und Formulierungsnot bringen – und damit begründe ich auch die Notwendigkeit, diese Schrift zu verbreiten. Mein Ansatz ist die Evolution, gefolgt von der Selbstregulation und den Grundlagen der menschlichen Kommunikation. Mein Ziel ist, die menschliche Natur aus einer unabhängigen Sicht zu erklären – und zwar so, dass mich möglichst viele Menschen verstehen.

Beginnen will ich allerdings mit einem kurzen Abriss der Ideen, die vor dem 21. Jahrhundert vertreten wurden. Keine Angst, es wird nicht zu theoretisch. Wenn du diesen Abschnitt übergehen willst, kannst du ohne weiteres auch damit beginnen, etwas über die Methoden zu lesen, die ich hier verwende.

Ein Teil dieser Artikelsammlung wurde in einer stark vereinfachten Sprache für Schüler ab 10 Jahre verfasst. Wenn es sie gibt, wird in beiden Beiträgen darauf hingewiesen. Jeder Artikel kann einzeln gelesen und verstanden werden.

Diese Einleitung meines Themas „Fühlen ist ein wundersames Gefühl“ steht hier anstelle eines Vorworts. Der Artikel wendet sich., wie die meist der hier veröffentlichten Beiträge, an Lehrende und Lernende. Sie wurde bewusst in vereinfachter Sprache geschrieben.

Zitat: Neuropsychologie.