Gefühle und Zeitgeist – Psychologie, Esoterik und Kommunikation
Simple Wahrheiten und aufgebauschte Darstellungen
Die Wahrheit ist sehr simpel: Die Gefühle sind Gaben der Evolution, und sie sind nötig. Der Wissenschaftsjournalist Jörg Blech nennt sie vorsorglich „Befindlichkeiten“ und schreibt dies:
Befindlichkeiten lassen sich nicht in „normal“ und „gestört“ einteilen, zumal sie in einem Spektrum liegen. Sie unterscheiden sich nicht in der Qualität, sondern in der Quantität“
Der Journalist hat dazu den Psychiater Martin Brüne zitiert, der vorgeschlagen hat, der „überzogene Gefühle“ durchaus für menschliche Eigenschaften hält und der dazu schrieb:
(Sie seien) verzerrte Ausprägungen von Mechanismen, die während der Menschwerdung entstanden sind.Die Konjunktur der Gefühle im 21. Jahrhundert
Nachdem Gefühle wieder „Konjunktur haben“ (seit den 2000er-Jahren), treten zahllose Institute und Einzelpersonen auf, die behaupten, das Gefühlsleben der Menschen verbessern zu können. Ob man sich nun auf die „Positive Psychologie“ beruft oder schlicht behauptet, über „Kenntnisse“ zu verfügen, wie man dieses Kunststück zustande bringt: Letztendlich dient es dem Ruhm, der Macht und der klingenden Kasse.
Gefühle besser verstehen - oft nur ein Hohlbegriff
Wahr ist, dass wir lernen können, unsere Gefühle „besser zu verstehen“, was allerdings voraussetzt, dass wir zuvor daran gezweifelt haben. Haben wir das nicht, so lassen wir uns auf etwas ein, das man früher oft als „Bewusstseinserweiterung“ bezeichnet hat. Dieses Gebiet liegt zwischen Psychologie, Esoterik und dem Wunsch, an einem „Abenteuer mit Gefühlen“ teilzuhaben.
Gefühle und Kommunikation – fragwürdige Zahlen

Unter den Anbietern von Kommunikationsseminaren ist üblich geworden, den Gefühlsanteil unserer alltäglichen Gespräche künstlich „aufzublasen“. Sie berufen sich dabei auf „Forschungen“ namhafter Wissenschaftler. Doch das ist ein Trugschluss. Richtig daran ist nur, dass wir neben Informationen auch Gefühle durch Kommunikation übermitteln, aber nicht, wie groß der Anteil jeweils ist. Manche Fachleute erweitern die Kanäle von zweien auf vier: Dann kommen noch Appelle hinzu und die Gefühlsebene wird in „Selbstkundgabe“ und „Beziehungshinweise aufgeteilt. (Vierebenen-Prinzip nach Friedemann Schulz von Thun) Wie viel Prozent davon zu einer Gruppe gehören, hängt davon ab:
- Welche Art von Gespräch geführt wird.
- Welche Absichten der Sender der Information verfolgt.
- Wie der Empfänger die Informationen versteht.
- Ob der Empfänger überhaupt wissen will, was der Sender ihm übermittelt.
Da es kaum Möglichkeiten gibt, den Gehalt an der einen wie der anderen Information zu messen oder zu wägen, ist es völlig absurd, sie in verlässlichen Prozentangaben zu bewerten. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Forschungen des Psychologen Albert Mehrabian, der angeblich behauptete, 55 % der Kommunikation zwischen zwei Menschen würden über die Körpersprache abgewickelt (analog), 38 % über den Tonfall und die Stimme (auch analog) und nur sieben Prozent über den Inhalt. Doch immerhin halten sich solche Meinungen sehr lange. Und ganz ähnlich ist es mit der Behauptung, dass 80 % der Kommunikation aus Gefühlen besteht und nur 20 Prozent aus Sachinformationen.
Es wird Zeit, dass wir mit solchen Begriffen endlich aufhören. Zumal, wenn weder klar ist, was wirklich gemeint ist, noch, wie solche Werte ermittelt wurden.
Zurück zur Wissenschaft - nur der Kommunikationsprozess ist entscheidend
Und aus dieser Sicht: Gerade die Kommunikation ist ein kompliziertes Gebiet, das man nicht auf ein paar Gedankenschnipsel oder weltanschaulich motivierte Behauptungen reduzieren kann. Oder mit anderen Worten: Die Grundüberlegung der Kommunikation ist, ob das, was der Sender sagt oder sagen will, überhaupt beim Empfänger ankommt. Und das ist mit Abstand der schwierigste Teil.
Hinweis: Dieser Beitrag enthält sowohl Meinungen wie auch Fakten, die von manchen Lehren aus Psychologie, Psychiatrie und Kommunikations-Lehren abweichen. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass die Lehre von der menschlichen Kommunikation recht allgemein gehalten ist.
Zitate aus "Die Psycho-Falle", Frankfurt 2014.
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