Gefühle im Alltag, lustvolle Gedanken und ein wenig Frivolität
Es wird Zeit, über Gefühle in der realen Welt zu reden. Denn alles, was die Wissenschaft dazu sagt, ist im Grund genommen nicht das, was wir „wirklich“ fühlen. Also widmen wir uns dem Alltag.
Der schwierige Umgang mit Gefühlen im Alltag
Egal, wie wir all dies benennen – Gefühle oder Emotionen, Stimmungen oder Gemütslagen – Gefühle sind selten „eindeutig“. Und wenn sie gar ein Gemisch aus Neigung und Abneigung, Begierde und Ekel, Angst und Neugierde sind, weiß der Wissenschaftler nicht mehr viel damit abzufangen. Gefragt ist dann ausschließlich die Person, in der diese Gefühle wohnen.
Aber diese Person wird kaum wagen, diese Art von Gefühlen zu schildern. Mag der Faust noch sagen: „Zwei Seelen, wohnen, ach, in meiner Brust“, weil das so schön theatralisch klingt und die Feuilletons dergleichen beklatschen. Doch wer als gewöhnlicher Mensch je sagt: „Mich ekelt der Gedanke, einen Penis zu lutschen aber ich bin neugierig, wie es mir dabei ergehen würde“, dann dürfte er mit Empörungen rechnen. Und dies, obwohl das Thema inzwischen alltäglich ist.
Gemischte Gefühle treten häufig auf
Über Ekel, Faszination. Differenzierungen und Erkenntnissen zu schreiben, ist nicht einfach. Die spanische Autorin Almudena Grandes hat es versucht. Sie schreibt im ersten Kapital von „Lulú“:
Das klingt harmlos, aber es ist eine heftige pornografische Szene, die unsere Autorin gerade beobachtet, und sie versucht, sich in seine Gefühlswelt hineinzudenken:
Das Problem nahezu aller Menschen besteht ja überhaupt darin, nicht in „sowohl als auch“ denken zu können. Das gilt auch dann, wenn sie sowohl von der einen Seite (hefige sexuelle Absonderlichkeiten) wie auch von der Schönheit der Körper fasziniert sind. Oder wenn sie sowohl innig lieben wollen als auch ekstatischen Sex genießen möchten.
Harmlos geht nicht - über heftige Gefühle und Lüste
Das gilt auch für ganz harmlose Formen des Verliebens, denn jede Art von sinnlicher oder romantischer Liebe enthält einen „animalischen“ Faktor. Das ist seitens der Natur völlig in Ordnung, und es sollte zumindest auch jedem Menschen bekannt sein. Gerade beim Verlieben kommen zwei gegensätzliche Welten auf uns zu. Auf der einen Seite die Kultur mit enormen Anforderungen an alles, was „zu geschehen hat“, bevor Rock oder Hose ausgezogen werden. Auf der anderen Seite die Natur, die nach nichts anderem drängt, als dass der Penis in die Vagina kommt. Beide Welten dringen in die Gehirne ein, beide hadern oftmals miteinander – und was schließlich passiert, ist am Ende unabsehbar.
Gut oder böse?
Bisweilen trennen wir in „gute“ und „schlechte“ Gefühle. Sollten wir auf die Idee kommen, Basisgefühle so einzustufen, begeben wir uns bereits aufs Glatteis: Die Natur stattet uns mit Gefühlen aus, um unser Überleben zu sichern. Das gilt nicht als „schlecht“. Aber wir können daraus Gefühle entwickeln, die uns nützen oder schaden: Hass zum Beispiel gilt nicht deswegen als negativ, weil wir Abneigung verspüren, sondern weil daraus Verletzungen entstehen können.
Zumeist aber sind unser „guten Gefühle“ wie auch „schlechte Vorahnungen“ oder ähnliche Regungen lediglich eine Folge des Erlernten. Das kann falsch oder richtig, veränderbar oder unveränderbar sein – das wissen wir nicht so genau, zumindest bei unseren ersten Versuchen.
Nachträglich ausgetrickst und Bauchgefühle
Dazu kommt noch ein Trick mit der Erinnerung. Bilden wir den Satz mit „kein ungutes Gefühl haben“ für ein Ereignis in der Vergangenheit, das negativ ausgeht, so bilden wir uns das Gefühl nachträglich ein. Sagen wir es aber voraus für die Zukunft, so prophezeien wir uns, dass es schiefgehen wird. Also ist es auch im Alltag ziemlich gewagt, sich nach „unbestimmten Gefühlen“ auszurichten, die man allgemein „Bauchgefühle“ nennt.
Gerade die „Bauchgefühle“ werden allerdings oft als Messlatte verwendet, ob etwas gut oder schlecht ist. Besonders psychologische oder esoterische Zeitschriften und nahezu alle Frauenzeitschriften strapazieren das Thema. Der Hintergrund ist leicht zu verstehen: Wann immer jemand weder Argumente gelten lässt noch auf Erfahrungen bauen kann, beruft er sich auf seine Bauchgefühle. Auch dabei fällt wieder eines auf: Wenn jemand etwas persönliches „sein lässt“, weil er ein schlechtes Bauchgefühl hat, hat er (aus seiner Sicht) immer recht. Tut er es trotz des schlechten Bauchgefühls, kann die Sache sich in beide Richtungen entwickeln.
Ausleben oder unterdrücken?
Ganz ähnlich verhält es sich bei „Gefühle ausleben“ kontra „Gefühle unterdrücken“. Beide Möglichkeiten können entweder zu Erfolgen oder zu Misserfolgen führen. Nehmen wir mal an, das Gefühl sei „Wut“. Es wäre zumeist unklug, jemandem „die Fresse zu polieren“, wenn man wütend auf ihn ist, aber es ist ebenso unklug, die „Wut in sich hineinzufressen“. Was tun wir, wenn wir eine solche Scheinalternative haben? „Bewältigen“ sagen uns die Psychologen dann – also weder das eine noch das andere zu tun, sondern „etwas drittes“.
Und wie ist das beim Sex?
Beim Sex ist es etwas anders: Normalerweise schaden wir niemandem, wenn wir Sex schenken oder geschenkt bekommen, anbieten oder uns durch Nettigkeiten erkaufen. Dennoch empfinden wir sowohl das Schenken/beschenkt werden wie auch das Anbieten/Erkaufen als fragwürdig. In diesem Fall gilt es als „ethischer“, die Gefühle zu unterdrücken, aber tun wir es, so fehlt uns das Vergnügen daran. Sobald wir unterscheiden können, was uns „wirklich“ gut tut, wählen wir das Gefühl, das im Moment überwiegt. Die Entscheidung darüber kann uns niemand abnehmen.
Dieser Artikel wurde in verständlichem Deutsch für Lehrende und Lernende geschrieben. Dieser Artikel enthält Meinungen.
Der schwierige Umgang mit Gefühlen im Alltag
Egal, wie wir all dies benennen – Gefühle oder Emotionen, Stimmungen oder Gemütslagen – Gefühle sind selten „eindeutig“. Und wenn sie gar ein Gemisch aus Neigung und Abneigung, Begierde und Ekel, Angst und Neugierde sind, weiß der Wissenschaftler nicht mehr viel damit abzufangen. Gefragt ist dann ausschließlich die Person, in der diese Gefühle wohnen.
Aber diese Person wird kaum wagen, diese Art von Gefühlen zu schildern. Mag der Faust noch sagen: „Zwei Seelen, wohnen, ach, in meiner Brust“, weil das so schön theatralisch klingt und die Feuilletons dergleichen beklatschen. Doch wer als gewöhnlicher Mensch je sagt: „Mich ekelt der Gedanke, einen Penis zu lutschen aber ich bin neugierig, wie es mir dabei ergehen würde“, dann dürfte er mit Empörungen rechnen. Und dies, obwohl das Thema inzwischen alltäglich ist.
Gemischte Gefühle treten häufig auf
Über Ekel, Faszination. Differenzierungen und Erkenntnissen zu schreiben, ist nicht einfach. Die spanische Autorin Almudena Grandes hat es versucht. Sie schreibt im ersten Kapital von „Lulú“:
Ich nehme an, es kann befremdlich wirken. Aber dieser Anblick, dieses unschuldige Bild, hat eine gewaltige Wirkung.
Das klingt harmlos, aber es ist eine heftige pornografische Szene, die unsere Autorin gerade beobachtet, und sie versucht, sich in seine Gefühlswelt hineinzudenken:
„Und in diesem Moment wünschte ich mir zu ersten Mal, dort zu sein, auf der anderen Seite des Bildschirms, wünschte mir, in zu berühren, zu erforschen … (und) ihn mit seinem eigenen Sabber einzuschmieren.“
Das Problem nahezu aller Menschen besteht ja überhaupt darin, nicht in „sowohl als auch“ denken zu können. Das gilt auch dann, wenn sie sowohl von der einen Seite (hefige sexuelle Absonderlichkeiten) wie auch von der Schönheit der Körper fasziniert sind. Oder wenn sie sowohl innig lieben wollen als auch ekstatischen Sex genießen möchten.
Harmlos geht nicht - über heftige Gefühle und Lüste
Das gilt auch für ganz harmlose Formen des Verliebens, denn jede Art von sinnlicher oder romantischer Liebe enthält einen „animalischen“ Faktor. Das ist seitens der Natur völlig in Ordnung, und es sollte zumindest auch jedem Menschen bekannt sein. Gerade beim Verlieben kommen zwei gegensätzliche Welten auf uns zu. Auf der einen Seite die Kultur mit enormen Anforderungen an alles, was „zu geschehen hat“, bevor Rock oder Hose ausgezogen werden. Auf der anderen Seite die Natur, die nach nichts anderem drängt, als dass der Penis in die Vagina kommt. Beide Welten dringen in die Gehirne ein, beide hadern oftmals miteinander – und was schließlich passiert, ist am Ende unabsehbar.
Gut oder böse?
Bisweilen trennen wir in „gute“ und „schlechte“ Gefühle. Sollten wir auf die Idee kommen, Basisgefühle so einzustufen, begeben wir uns bereits aufs Glatteis: Die Natur stattet uns mit Gefühlen aus, um unser Überleben zu sichern. Das gilt nicht als „schlecht“. Aber wir können daraus Gefühle entwickeln, die uns nützen oder schaden: Hass zum Beispiel gilt nicht deswegen als negativ, weil wir Abneigung verspüren, sondern weil daraus Verletzungen entstehen können.
Zumeist aber sind unser „guten Gefühle“ wie auch „schlechte Vorahnungen“ oder ähnliche Regungen lediglich eine Folge des Erlernten. Das kann falsch oder richtig, veränderbar oder unveränderbar sein – das wissen wir nicht so genau, zumindest bei unseren ersten Versuchen.
Nachträglich ausgetrickst und Bauchgefühle
Dazu kommt noch ein Trick mit der Erinnerung. Bilden wir den Satz mit „kein ungutes Gefühl haben“ für ein Ereignis in der Vergangenheit, das negativ ausgeht, so bilden wir uns das Gefühl nachträglich ein. Sagen wir es aber voraus für die Zukunft, so prophezeien wir uns, dass es schiefgehen wird. Also ist es auch im Alltag ziemlich gewagt, sich nach „unbestimmten Gefühlen“ auszurichten, die man allgemein „Bauchgefühle“ nennt.
Gerade die „Bauchgefühle“ werden allerdings oft als Messlatte verwendet, ob etwas gut oder schlecht ist. Besonders psychologische oder esoterische Zeitschriften und nahezu alle Frauenzeitschriften strapazieren das Thema. Der Hintergrund ist leicht zu verstehen: Wann immer jemand weder Argumente gelten lässt noch auf Erfahrungen bauen kann, beruft er sich auf seine Bauchgefühle. Auch dabei fällt wieder eines auf: Wenn jemand etwas persönliches „sein lässt“, weil er ein schlechtes Bauchgefühl hat, hat er (aus seiner Sicht) immer recht. Tut er es trotz des schlechten Bauchgefühls, kann die Sache sich in beide Richtungen entwickeln.
Ausleben oder unterdrücken?
Ganz ähnlich verhält es sich bei „Gefühle ausleben“ kontra „Gefühle unterdrücken“. Beide Möglichkeiten können entweder zu Erfolgen oder zu Misserfolgen führen. Nehmen wir mal an, das Gefühl sei „Wut“. Es wäre zumeist unklug, jemandem „die Fresse zu polieren“, wenn man wütend auf ihn ist, aber es ist ebenso unklug, die „Wut in sich hineinzufressen“. Was tun wir, wenn wir eine solche Scheinalternative haben? „Bewältigen“ sagen uns die Psychologen dann – also weder das eine noch das andere zu tun, sondern „etwas drittes“.
Und wie ist das beim Sex?
Beim Sex ist es etwas anders: Normalerweise schaden wir niemandem, wenn wir Sex schenken oder geschenkt bekommen, anbieten oder uns durch Nettigkeiten erkaufen. Dennoch empfinden wir sowohl das Schenken/beschenkt werden wie auch das Anbieten/Erkaufen als fragwürdig. In diesem Fall gilt es als „ethischer“, die Gefühle zu unterdrücken, aber tun wir es, so fehlt uns das Vergnügen daran. Sobald wir unterscheiden können, was uns „wirklich“ gut tut, wählen wir das Gefühl, das im Moment überwiegt. Die Entscheidung darüber kann uns niemand abnehmen.
Dieser Artikel wurde in verständlichem Deutsch für Lehrende und Lernende geschrieben. Dieser Artikel enthält Meinungen.
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